Das amtliche Bezugssystem der Lage ETRS89

Auf der 88. Tagung der ADV (Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder) im Mai 1991 wurde der Beschluss gefasst, statt dem bisherigen Gauß-Krüger-System das zukunftsorientierte ETRS89 - European Terrestrial Reference System 1989 - einzuführen. Als erstes, und leider bisher einziges Bundesland, setzte Brandenburg im Jahre 1996 den ADV-Beschluss um und führte ETRS89 als amtliches Bezugssystem der Lage ein. Die Umrechnung der vorhandenen Festpunkte konnte kurzfristig realisiert werden, hatte doch Brandenburg als ostdeutsches Bundesland den Vorteil, über ein hochgenaues, spannungsfreies Lagefestpunktfeld zu verfügen. Auch die Transformation der vorhandenen Objekt-Punktdaten der Katasterverwaltung ging schnell vonstatten. Es handelte es sich im Vergleich zu westlichen Bundesländern um geringe Datenmengen und diese waren weitgehend auf das einheitliche System der ehemaligen DDR aufgebaut.

Am 13. März 2001 wurde die flächendeckende Realisierung von SAPOS® (Satellitenpositionierungsdienst der deutschen Landesvermessung) für Brandenburg verkündet . Damit wurde allen Anwendern die Möglichkeit gegeben, trotz des weitmaschigen Festpunktfeldes vor Ort, kostengünstig und schnell eine Koordinate im amtlichen Bezugssystem zu erstellen. Die Vermessungsingenieure erhielten ein Jahr Frist zur Anschaffung der noch relativ teuren GPS-Technik. Seit dem 13. März 2002 besteht die Pflicht, alle Vermessungen im Rahmen des damalig geltenden Vermessungs- und Liegenschaftsgesetzes und aktuellem Geoinformations- und Vermessungsgesetzes an das amtliche Bezugssystem anzuschließen.

Das System und seine Realisierung

Grundlagen

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Bezugssystemen (Reference Systems) und Bezugsrahmen (Reference Frames). Bezugssysteme beschreiben die Konzeption, also die Definition und die Festlegung des Systems. So werden z.B. die Lage des Ursprungs und Ausrichtung der Achsen definiert. Der Bezugsrahmen dagegen ist die Realisierung des Bezugssystems in der Örtlichkeit durch Festpunkte. So wird jedes Bezugsystem durch eine begrenzte Zahl von fest vermarkten und dauerhaft gesicherten Punkten realisiert und erst damit für die allgemeine Anwendung nutzbar gemacht.

Die im folgenden besprochenen Bezugssysteme sind dreidimensionale kartesische Systeme. Ein Punkt in diesen Systemen wird durch die räumlichen Koordinaten X, Y und Z beschrieben. Ein Bezug zur Erdoberfläche kann zunächst nicht hergestellt werden. Hierzu ist die Einführung einer der Erdoberfläche genäherten mathematisch beschreibbaren Figur notwendig. In einfachsten Fällen die Kugel, im Regelfall ein Rotationsellipsoid verwendet. Um die in der Praxis gebräuchlichen 2D-Koordinaten (X, Y) zu erhalten, werden die dreidimensionalen Systeme (ITRS, ETRS) und das Rotationsellipsoid mit einer Abbildungsvorschrift verknüpft. Eine solche Abbildung ist die Gauß-Krüger-Abbildung, aber auch die im Zusammenhang mit IRTS, ETRS gebräuchliche UTM-Abbildung.

Das ITRS, ITRF als Grundlage für das europäische Bezugssystem

Das derzeit genaueste globale terrestrische System ist das ITRS (International Terrestial Reference System), welches vom IERS (International Earth Rotation Service) auf der Grundlage von Entfernungsmessungen zu Satelliten, zum Mond und zwischen erdfesten Stationen realisiert wurde. Das ITRS wird durch ein weltumspannendes Netz von Festpunkten, in der Regel astronomische Stationen, von denen zugleich die Navigationssatelliten überwacht werden, realisiert. Diese Realisierung nennt man International Terrestial Reference Frame.

Aufgrund der Plattentektonik und anderer globaler Einflüsse unterliegen die Koordinaten dieser erdfesten Stationen einer stetigen Änderung. Sie werden durch den IERS fortlaufend neu bestimmt.

Das ITRS ist ein dreidimensionales kartesisches Koordinatensystem mit Ursprung im Massenzentrum der Erde. Seine Achsen sind wie folgt festgelegt:

Z-AchseSie entspricht genähert einer mittleren Erdrotationsachse. Sie ist exakt durch das Geozentrum und den Conventional Terrestrial Pole (CTP) definiert.
X-AchseSie ist Schnittgerade der Ebene des ETRS89-Bezugsmeridians, der parallel zu dem vom International Earth Rotation Service (IERS) definierten Nullmeridian von Greenwich liegt, und der CTP-Äquatorebene.
Y-AchseSie steht rechtwinklig auf der X-Achse in der CTP-Äquatorebene.

kartesisches Koordinatensystem

Orte werden also mit den drei Parametern X, Y und Z beschrieben

Punkt im kartesischen Koordinatensystem

Direkte ITRS-Koordinaten werden bei vielen weltumspannenden Aufgaben verwendet, insbesondere in wissenschaftlichen und militärischen Bereichen. So werden die Bahndaten (Ephemeriden) der GPS- oder GLONAS-Navigationssatelliten in diesem System beschrieben. Die Genauigkeit der Koordinatenbestimmung liegt "nur" im m-Bereich und ist für die geodätische Praxis somit nicht ausreichend.

Das europäische System ETRS und seine Realisierungen

Um sich von den globalen Plattenbewegungen und den damit verbundenen ständigen Koordinatenveränderungen zu lösen, wurde für Europa ein Datum festgelegt, dass sich nur auf die ITRF-Stationen stützt, die auf der europäischen Platte liegen. Das geschah zum Zeitpunkt 1989, es entstand das European Terrestrial Reference System 1989 (ETRS89). Die 17 auf der europäischen Kontinentalplatte liegenden ITRF-Referenzstationen wurden durch weitere 6 Stationen ergänzt, diese 23 Stationen bilden das ETRF89.

Da die 23 Stationen zur weiteren Verdichtung auf nationaler Ebene nicht ausreichten, wurden zunächst weiter 78 Punkte durch die EUREF-GPS-Meßkampagne eingeführt. Davon liegen 12 Punkte auf deutschem Territorium. Die Punktabstände liegen bei 300 bis 500 km. Die Lagegenauigkeit beträgt ca. 4 cm.

Das anfangs auf den westeuropäischen Teil beschränkte Netz ist nach den politischen Veränderungen in Osteuropa durch mehrere GPS-Nachkampagnen auf weitere Staaten ausgedehnt worden, u.a. auf die Türkei, Estland, Ungarn, Bulgarien, Zypern und Rumänien.

Um das ERTS für die praktische Anwendung vorzubereiten, sind natürlich wesentlich engmaschigere Festpunktnetze notwendig. Im ländlichen Bereich sind Punktabstände von 1-3 km, im städtischen Bereich von wenigen hundert Meter üblich. Um eine solche Punktdichte zu realisieren, wurde das EUREF in einer GPS-Kampagne 1991 um weitere 84 zum Deutschen Referenznetz (DREF) verdichtet. Die weitere Verantwortung lag bei den Bundesländern, die Landesvermessungsverwaltungen verdichteten in ihren Bereichen das Referenznetz um weitere Punkte.

Die Brandenburger Vermessungsverwaltung führte 1994 eine GPS-Kampagne durch, bei der die vorhandenen 8 DREF-Punkte um weitere 108 Punkte zum Brandenburger Referenznetz (BRAREF) verdichtet wurden. Der mittlere Punktabstand betrug damit 15 - 20 km, die relative Lagegenauigkeit der Punkte liegt unter 1cm. Die Punktdichte wurde als ausreichend erachtet, um die Parameter der Transformation von dem bisher verwendeten System 42/83 in das ETRS89 zu bestimmen.

Die UTM-Abbildung

Für den praktischen Gebrauch ist das dreidimensionale ETRS-System wenig geeignet, es wird ein ebenes, der Erdoberfläche bestangepasstes Koordinatensystem benötigt. Hierzu dient die UTM-Abbildung. Unter Hinzuziehung einer geeigneten mathematischen Figur, hier dem Rotationsellipsoid GRS80, werden die 3D-Koordinaten in die Ebene projiziert.

Ellipsoide besitzen, wie auch schon die Kugel, die unangenehme Eigenschaft, dass ihre Oberfläche nicht verzerrungsfrei in die Ebene abgebildet werden kann. Um die Verzerrungen im vertretbaren Rahmen zu halten, können nur kleine Ausschnitte der Ellipsoidoberfläche in die Ebene übertragen werden.

Wie bei der Gauß-Krüger-Abbildung ist auch die UTM-Abbildung eine transversale Zylinderprojektion. Um die zwangsweise auftretenden Verzerrungen gering zu halten, wird die Breite einer Projektion auf einen schmalen Streifen (Meridianstreifensystem) begrenzt. Damit die Erde vollständig abgebildet werden kann, werden mehrere dieser Streifen gebildet, die aneinandergereiht den Globus umfassen.

Ellipsoid mit Meridianstreifen

Im Gegensatz zu den 3° breiten Streifen der Gauß-Krüger-Abbildung hat man bei der UTM-Abbildung 6° breite Streifensysteme gebildet. Ein Streifensystem bedeckt damit einen wesentlich größeren Teil der Landesfläche. So entfällt die aufwendige Transformation zwischen zwei Streifensystemen für viele Gebiete, die Fläche des Landes Brandenburg wird beispielsweise fast vollständig vom 33. Meridianstreifensystem abgedeckt. Diesen Vorteil erkauft man sich allerdings mit wesentlich größeren Verzerrungen an den Streifenrändern.

UTM-Meridianstreifensystem

Um den Absolutwert der breitenabhängigen Verzerrung gering zu halten, berührt hier der Abbildungszylinder nicht wie bei der Gauss-Krüger-Abbildung die Ellipsoidoberfläche. Der Radius ist kleiner gewählt, so dass der Zylinder die Ellipsoidoberfläche in zwei zum Mittelmeridian parallelen Linien schneidet. Daraus ergibt sich der spezielle UTM-Maßstabsfaktor von 0,9996, der an jede Streckenmessung angebracht werden muss.

Korrektur der Abbildungsverzerrung

Die breitenabhängige Verzerrung kann bei Strecken bis zu 1 km Länge millimetergenau mit den im Folgenden vorgestellten Formeln kompensiert werden.

Berechnung der Korrekturwerte

Der Maßstabsfaktor, der die Projektionsverzerrung zwischen Strecken in der Rechenebene und Strecken auf der Meeresoberfläche kompensiert, berechnet sich wie folgt:

(1) Formel 1: Maßstab zur Korrektur der UTM-Verzerrung

M Maßstabsfaktor der Projektionsverzerrung
EmMittlere Ostwert [km] einer Streckenbeobachtung
500 Ostwertzuschlag
RmMittlerer Radius der Gaußschen Schmiegekugel [km] (Breite Brandenburg 6380 km)
0.9996 Spezieller UTM-Faktor

1. Strecken

Die örtliche Strecke (SN) errechnet sich mit guter Näherung aus der Formel:

(2) Formel 2: Berechnung der natürlichen Strecke

SNÖrtliche Strecke bezogen auf die mittlere Geländehöhe im System des DHHN92
SK Strecke aus UTM-Koordinaten bezogen auf das System ETRS89
M Maßstabsfaktor der Projektionsverzerrung
hm Mittlere Geländehöhe über dem GRS80-Ellipsoid (NHN+40 m) [km]
Rm Mittlerer Radius der Gaußschen Schmiegekugel [km]

2. Flächen

Die Fläche in der Örtlichkeit errechnet sich aus der Formel:

(3) Formel 3: Berechnung der natürlichen Fläche

FNFläche bezogen auf die mittlere Geländehöhe im System des DHHN92 [m2]
FK Fläche aus UTM-Koordinaten bezogen auf das System ETRS89 [m2]
M Maßstabsfaktor der Projektionsverzerrung
hm Mittlere Geländehöhe über dem GRS80-Ellipsoid (NHN+40 m) [km]
Rm Mittlerer Radius der Gaußschen Schmiegekugel [km]

Rechenbeispiele

Für die Beispielrechnungen verwenden wir die folgenden Punkte:

PunktnummerRechtswert (Y)Hochwert (X)
Guben
13476000.0005756000.000
23477000.0005756000.000
33476000.0005755000.000
43477000.0005755000.000
Lübben
53424000.0005755000.000
63425000.0005755000.000
Luckenwalde
73373000.0005771000.000
83374000.0005771000.000

Die erste Stelle des Rechtswertes (hier 3) ist die zweite Stelle der laufenden Nummer des Meridianstreifens, sie ist in den folgenden Berechnungen wegzulassen. Das Gebiet soll 50,00 m über DHHN92 liegen.

Der Maßstabsfaktor der UTM-Abbildung ist abhängig vom Abstand des zu betrachtenden Punktfeldes zum Mittelmeridian. Folglich ist zuvorderst ein mittlerer Rechtswert des Punktfeldes zu berechnen:

Berechnung des Abstandes zum Mittelmeridian

Der Maßstabsfaktor berechnet sich nach (1):

Berechnung des Maßstabes zur Streckenkorrektur

Der errechnete Maßstabsfaktor entspricht hier fast dem vorgegebenen UTM-Faktor, dies ist bedingt durch den kurzen Abstand des Koordinatenfeldes zum Mittelmeridian von 23,5 km. Diesen Faktor benötigen wir nun zur Berechnung der natürlichen Längen bzw. Flächen.

1. Strecken aus Koordinaten

Beginnen wir mit der Strecke von 1 nach 2: Die Strecke aus UTM-Koordinaten SK berechnen wir mit dem Satz des Phytagoras:

Berechnung des Strecke aus Koordinaten

Die örtliche Strecke SN berechnet sich nun nach der Formel (2):

Berechnung der örtlichen Strecke

Die Korrektur beträgt also 40,7 cm pro Kilometer, ein Wert, der weit über der Genauigkeit heutiger Messtechnik liegt.

Die berechnete Strecke liegt bei Guben, also in der Nähe des Mittelmeridians. Gehen wir nun westwärts nach Lübben zu der Strecke 5 - 6. Hier ergibt sich , durch den veränderten Abstand zum Mittelmeridian, ein anderer Maßstabsfaktor und damit auch eine andere Streckenkorrektur:

M = 0,9999670
SN = 1000,344

Verlegen wir nun die Kontrollstrecke noch weiter westlich zu der Strecke 7 - 8 bei Luckenwalde. Maßstab und Strecke in der Natur ergeben:

M = 0,9999796
SN = 1000,218

2. Flächen aus Koordinaten

Berechnen wir nun die korrigierte natürliche Fläche zwischen den Punkten 1 bis 4. Aus Koordinaten ergibt sich eine Fläche von 1km2 = 1.000.000m2. Daraus errechnet sich mit der Formel (3) die natürliche Fläche:

Berechnung der örtlichen Fläche

Die Flächenkorrektur ergibt hier also 815m2, immerhin Platz für zwei Eigenheimgrundstücke.

3. Gemessene Strecken

Örtlich gemessene Strecken oder projektierte Bauwerksabmessungen sind für Berechnungen im UTM-System zu reduzieren, die Reduktionsformel erhält man durch Umstellung der Gleichung (2).

(4) Formel 4: Berechnung der reduzierten Strecke

Wendet man die Reduktion auf die gemessene Strecke zwischen den Punkten 1 und 2 von 100,41m an, erhält man:

Berechnung der reduzierten Strecke

Mit der so reduzierten Strecke können Berechnungen im UTM-System ausgeführt werden.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Verzerrungen der Gauß-Krüger-Abbildung konnten bisher, da sie vom Betrag her kleiner sind, bei der praktischen Koordinatenanwendung in vielen Gebieten vernachlässigt werden. Der Verzerrungsmaßstab der UTM-Abbildung ist durch das verwendete 6°-Streifensystem vom Betrag her größer und erreicht Werte, die bei der Projektierung von Bauwerken nicht vernachlässigt werden dürfen. Im Bauwesen angewandte CAD-Programme sollten diese Abbildungsverzerrung beherrschen. Anwender, die erstmalig ETRS-Koordinaten verwenden, sollten ihr System mit den obigen Beispielrechnungen auf korrekte Anwendung der Korrekturformeln prüfen.

Sollte ein Anwendungsprogramm die Abbildungsverzerrungen nicht beherrschen, kann das die Grundlagenpläne erstellende Vermessungsbüro gebeten werden, die ETRS-Koordinaten in ein lokales, maßstabsfreies Koordinatensystem zu transformieren. Da ein Arbeiten außerhalb des amtlichen Koordinatensystems aber immer Probleme zwischen den einzelnen Nutzern der erstellten Projektunterlagen nach sich zieht, muss dies der Ausnahmefall bleiben. Der Softwarehersteller ist zu einer dementsprechenden Aktualisierung seines Programmsystems zu drängen.


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Berechnungsformular

Mit dem folgenden Formular können Strecken aus Koordinaten in natürliche Strecken und umgekehrt umgerechnet werden. Die mittlere Geländehöhe geben sie bitte in NHN des DHHN92 an. Der Rechtswert ist sechsstellig anzugeben, die Angabe der Meridianstreifennummer ist nicht notwendig.

Ausgegeben wird der Maßstab, der sich aus UTM- und Höhenreduktion ergibt und die endgültige berechnete Strecke. Bitte beachten Sie, dass die verwendeten Formeln nur für Strecken bis 1km eine millimetergenaue Reduktion ergeben.

Strecke: mittl. Geländehöhe: mittl. Rechtswert:
[m]  [m]  [m] 
 
Auswahl:
berechne natürliche Strecke berechne reduzierte Strecke
 
Ergebnis:
Maßstab: Strecke:
  [m] 
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